• Mobilitätswende: Staatlich finanzierter Lohndrücker
    https://www.jungewelt.de/artikel/466925.mobilit%C3%A4tswende-staatlich-finanzierter-lohndr%C3%BCcker.html

    9.1.20224 von Gisela Sonnenburg - Hamburg: Subventionierter Sammeltaxianbieter Moia wegen schlechter Arbeitsbedingungen in der Kritik

    Die Fahrer verdienen bei Moia nur 13 Euro pro Stunde

    Der Arbeitsmarkt ist im Wandel, und das nicht zum besten. In Hamburg zeigt die 100prozentige VW-Tochter Moia, was moderne Ausbeutung ist. Moia bietet schicke Elektrokleinbusse als Sammeltaxen an. Seit fünf Jahren kutschieren diese bis zu sechs Personen pro Fahrt durch Hamburg. Moia gibt sich digital: Nur über eine App, ganz ohne Anruf, fragt man nach den Kosten für die gewünschte Fahrt. Drei Angebote bieten garantierte Festpreise an. Sollte eine Fahrt länger dauern, weil ein Stau das Fortkommen verzögert oder weil die Route für einen anderen Fahrgast komplizierter ist als geplant, zahlt man keinen Cent mehr. Für konventionelle Taxiunternehmen ist Moia eine harte Billigkonkurrenz: Durchschnittlich nur sechs Euro zahlen die Kunden, die am häufigsten zum Flughafen, zum Hauptbahnhof oder auf die Reeperbahn gefahren werden.

    Das geht zu Lasten der Dienstleistenden. Die Fahrer verdienen bei Moia nur 13 Euro pro Stunde (plus Zuschläge). Versuche der IG Metall (IGM) im letzten Herbst, einen Haustarif zu erarbeiten, sind gescheitert. Besonders sauer ist die Gewerkschaft, weil Moia überhaupt nicht mehr verhandeln will. Dafür gibt es dort eine auffallende Häufung von Kündigungen, die jetzt David Stoop, Fachsprecher für Gewerkschaftspolitik bei der Partei Die Linke in Hamburg, auf den Plan rief.

    Auf Stoops Anfrage bei der Bürgerschaft in Hamburg hin wurde bekannt, dass seit 2019 mehr als 140 arbeitsrechtliche Verfahren gegen Moia in der Hansestadt angelaufen sind. Zumeist geht es darin um Kündigungen und Zahlungsversäumnisse, manchmal auch um so demütigende Themen wie Toilettenpausen.

    VVn-VdA

    Alles in allem scheint Moia genau das zu sein, wovor aufgeklärte Zeitgenossen die Arbeitswilligen warnen: Unberechenbare Kündigungen sorgen für einen hohen Druck und eine hohe Fluktuation. Ein Gekündigter klagt, man habe ihm übelgenommen, dass er sich für einen gehörlosen Fahrgast eingesetzt hatte. Ständige Stellenausschreibungen erhöhen zudem das Gefühl bei den unter Vertrag Stehenden, nicht genug zu leisten. Unterbezahlung, Unsicherheit und Unterdrückung von Widerspruch – beim angeblich fortschrittlichen Moia-Projekt feiern die bekanntesten schlechten Tugenden des Kapitalismus fröhliche Urständ.

    Den Staat melkt Moia gleich doppelt. Zum einen erhält die VW-Tochter vom Bund eine Fördersumme von 26 Millionen Euro: für das Ziel, einen fahrerlosen Shuttleservice zu entwickeln. Bis zu 10.000 fahrerlose, sogenannte autonom fahrende Elektrokleinbusse sollen bis 2030 laut Moia die Straßen Hamburgs »sicherer« machen. Arbeitsplätze werden so angeblich nicht nur erhalten, sondern auch neu geschaffen. Was Moia nicht sagt: Fahrgäste von anderen Taxiunternehmen abzuwerben schafft keine Arbeitsplätze, sondern verlagert sie nur in einen anderen Betrieb.

    Zum zweiten will Moia seinen »Ride­pooling-Service« auch als lizenziertes Konzept verkaufen: an andere Verkehrsunternehmen, an Städte und Gemeinden. In Hamburg hat Moia es bereits geschafft, auf einer Strecke – zwischen Hammerbrook und Veddel – faktisch Teil des öffentlichen Nahverkehrs zu werden. Mit dem Lizenzverkauf wird der Einfluss der VW-Tochter bundesweit wachsen. Der deutsche Staat kauft Moia somit etwas ab, für dessen Entwicklung er bereits Millionen hinblättert. »Logischer wäre es, wenn mit den staatlichen Mitteln auch eine staatliche Beteiligung einhergehen würde. Um einerseits zu sichern, dass Gewinne nicht nur bei VW landen, und um andererseits das Projekt im Sinne des Gemeinwohls steuern zu können«, sagte der Fachmann Stoop dazu am Montag gegenüber junge Welt.

    Aber von solchen Zielsetzungen ist der aktuelle Hamburger Senat wohl weit entfernt. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Bündnis 90/Die Grünen) schwärmt vielmehr davon, die Nutzung von Autos generell zu verringern. Bis 2030 sollen 80 Prozent der Wege in Hamburg nicht mit dem Privatauto zurückgelegt werden. Derzeit sind es übrigens schon 70 Prozent. Wie Moia dazu gebracht werden kann, den Markt nicht weiter mit Lohndrückerei aufzumischen, sagt der Verkehrssenator nicht.

    #Hamburg #Fahrdienst #Arbeit #Ausbeutung

  • Notfallversorgung: In Berlin kommen die Bereitschaftsärzte der KV jetzt mit dem Taxi
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kassenaerztliche-vereinigung-gesundheitssystem-notfallversorgung-in

    Ein Stück aus dem Tollhaus. LABO verweigert dem Fahrdienst der KV die Verlängerung seiner Konzessionen. Im Ergebnis erhalten die Taxifahrer, die nun Bereitschaftsärzte fahren, Mindestlohn oder mehr für die jeweilige Schicht. Wie schön. Eine Begründung des LABO steht aus. Man wird sie erfahren. Wir sind gespannt. Ganz nebenbei blamieren sich die mittlerweile ortskenntnisbefreiten Kutscher in der Öffentlichkeit durch völlige Ahnungslosigkeit. So it goes.

    16.6.2023 von Andreas Kopietz -Das Amt verwehrt dem Fahrdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin die Weiterfahrt. Die KV befürchtet Einschränkungen für Patienten.

    Die Bereitschaftsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) haben einen Versorgungsauftrag des Berliner Senats. Doch die Fahrer, die die Ärzte zu den Patienten bringen, arbeiten unter teils prekären Bedingungen – und möglicherweise zeitweilig auch illegal. Zurzeit allerdings arbeiten sie gar nicht. Denn die Bereitschaftsärzte der KV Berlin müssen jetzt mit dem Taxi zu den Patienten fahren.

    Dabei stehen in der Tiefgarage der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin 24 neue Elektroautos – gerade erst im vergangenen Monat angeschafft. Doch die weiß-orange lackierten Peugeot e-2008 mit der Aufschrift kvberlin.de und der Telefonnummer 116117 dürfen nicht fahren. Denn das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) hat mit Bescheid vom 2. Juni eine Verlängerung der Genehmigung für den Einsatz der Autos abgelehnt. Vor dem Hintergrund der ohnehin schon desolaten Notfallversorgung in Berlin rechnet die KV jetzt mit weiteren Einschränkungen für Patienten.

    „Momentan können wir nicht abschätzen, wann mit einer Wiederaufnahme unserer Fahrten gerechnet werden kann“, teilte die Firma Stölting, die im Auftrag der KV den Fahrdienst betreibt, ihren Mitarbeitern mit. „Deshalb werden wir Sie als Mitarbeiter erst mal bis einschließlich 15.06.23 in den Urlaub schicken“, heißt es. Hierbei handele es sich zunächst nur um diejenigen, die vom 7. bis 15. Juni laut Dienstplan für Dienste eingeteilt wurden. Weiter heißt es: „Zunächst werden daher alle Fahrten über Taxidienste abgedeckt.“ Seit Donnerstag ist klar, dass der „Urlaub“ bis zum 25. Juni verlängert wird. Und so warten jetzt die Taxis in langen Schlangen vor dem Gebäude der KV Berlin in der Masurenallee in Charlottenburg.

    320 Ärzte beteiligen sich am Hausbesuchsdienst der KV Berlin

    Der Ärztliche Bereitschaftsdienst für gesetzlich Versicherte ist rund um die Uhr über die Telefonnummer 116117 zu erreichen – vorausgesetzt, man bringt die Geduld auf, in der Warteschleife zu hängen. Im Gespräch kann dann der Beratungsarzt – seit Anfang des Jahres gibt es übrigens nur noch einen statt zwei – klären, ob ein Hausbesuch notwendig ist, oder auch den Rettungsdienst der Feuerwehr alarmieren. Der fahrende ärztliche Hausbesuchsdienst, an dem sich nach Darstellung der KV Berlin rund 320 Ärzte beteiligen, ist für gesetzlich und privat Versicherte rund um die Uhr zu Patienten unterwegs, die wegen der Schwere ihrer Erkrankung keine Praxis aufsuchen können beziehungsweise die nachts, am Wochenende oder an Feiertagen dringend medizinische Hilfe benötigen. Pro Werktag besuchen die Ärzte laut KV durchschnittlich 400 Erkrankte zu Hause, an Wochenenden etwa 700.

    Den Fahrdienst hatte über Jahre eine Firma betrieben, die 2020 insolvent gegangen ist. Die in Gelsenkirchen ansässige Stölting Service Group GmbH kaufte den Fahrdienst.

    Bislang waren die Fahrer der in Berlin ansässigen Zweigstelle mit den Ärzten in benzinbetriebenen Fahrzeugen unterwegs. Allerdings liefen die ersten für mehrere Jahre gewährten Konzessionen auf die einzelnen Fahrzeuge bereits im November vergangenen Jahres aus.
    Labo lehnt Antrag auf Verlängerung der Konzession ab

    Mehrere Fahrer (Namen sind der Redaktion bekannt) berichten, dass sie trotz abgelaufener Konzession hätten weiter fahren müssen. Der Berliner Zeitung liegen mehrere Genehmigungsurkunden über fünfjährige Konzessionen vor, die im November 2022 abgelaufen sind. „Jedes Taxiunternehmen wäre geliefert, wenn es ohne Konzession unterwegs wäre“, sagt einer der Beschäftigten. „Und als Taxifahrer läuft man Gefahr, dass man seine Genehmigung zur Personenbeförderung nicht verlängert bekommt.“ Auch ohne Tüv seien viele Fahrzeuge noch in diesem Jahr gefahren. Einige Fahrer seien deshalb auf die Barrikaden gegangen, heißt es. Sie wollten ihren P-Schein nicht verlieren, denn viele fahren nebenbei auch Taxi und sind auf den Verdienst angewiesen.

    Wer Personen befördert, ob Krankentransportunternehmer oder Taxibetrieb, darf dies nur mit vom Labo bewilligter Konzession. Diese gilt drei bis fünf Jahre und muss dann erneuert werden. Voraussetzung dafür sind unter anderem ein einwandfreier Leumund und keine Schulden beim Finanzamt oder der Krankenkasse.

    Warum das Labo die Konzession für die Firma Stölting nicht verlängerte, bleibt unklar. „Ein Erstkontakt wurde von uns bereits im Januar 2022 zum Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten aufgenommen, um frühzeitig die Verlängerung der Genehmigung vorzubereiten“, teilt Boris Westerfeld, Geschäftsführer der Stölting Service Group, schriftlich mit. „Völlig überraschend ist der von uns gestellte Antrag auf Verlängerung der Konzession vom Labo nach unserer Ansicht unverständlicherweise abgelehnt worden.“
    Stölting: „Alle Fahrzeuge verfügen über eine gültige Hauptuntersuchung“

    Die Firma Stölting will gegen diesen Bescheid Rechtsmittel einlegen. „Seit rund 25 Jahren leisten wir für die Kassenärztliche Vereinigung in Berlin beanstandungslos, zuverlässig und für die Patienten erfolgreich den Fahrdienst“, so Westerfeld. „Zuvor gab es keine Beanstandungen hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für den Erhalt und die Fortführung der entsprechenden Konzession. Umstände, dass sich dies geändert hätte, waren diesseits nicht ersichtlich.“ Nach Erhalt des Bescheids habe man – bisher vergeblich – erneut versucht, mit dem Labo in Kontakt zu treten.

    Über die Gründe für die Ablehnung, ob diese vielleicht etwas mit den Vorwürfen der Mitarbeiter zu tun haben könnten, ist auch beim Labo nichts in Erfahrung zu bringen. Die Behörde äußert sich bisher nicht. Allerdings ist von überschäumender Zufriedenheit bei den 60 Fahrern nicht viel zu spüren. Sie beziehen Mindestlohn und erhalten nach eigenen Angaben wesentlich niedrigere Nachtzuschläge als andernorts. Neben dem Arbeitsvertrag mussten sie einen Dienstwagen-Überlassungsvertrag unterschreiben. Danach müssen sie für einen Unfallschaden mit 500 Euro haften.

    Dass Fahrzeuge ohne Tüv gefahren seien, weist der Geschäftsführer zurück: „Bei unserer Fahrzeugflotte handelt es sich um neuwertige Fahrzeuge, die alle über eine gültige Hauptuntersuchung verfügen“, so Westerfeld.
    Firma Stölting: Der Einsatz von Taxis ist mit erheblichen Kosten verbunden

    Zum Vorwurf des angeblichen Fahrens ohne Konzessionen sagt er: „Zurzeit überprüfen wir die Vorwürfe aus dem Ablehnungsbescheid des Labo auch hinsichtlich eventueller Fahrten ohne Konzession. Wir können jetzt schon sagen, dass der Großteil der Vorwürfe nicht zutreffend ist.“

    Zu Vorwürfen über angebliche Dumpinglöhne antwortet Westerfeld: „Wir vergüten unsere Mitarbeitenden ordnungsgemäß nach dem Stundenlohn, der sich an dem Landesmindestlohngesetz Berlin orientiert, einschließlich der Nachtzuschläge.“

    Für jede der drei Schichten pro Tag müssen nun sechs Taxis zur Verfügung stehen. Die Fahrer lassen nach Angaben von Mitarbeitern ihre Taxameter mitlaufen, während die Ärzte in der Wohnung den Patienten versorgen.

    Abgerechnet wird bei Stölting. „Wir versuchen so im Interesse der Berliner Bevölkerung die Versorgung sicherzustellen“, so Geschäftsführer Westerfeld. „Richtig ist, dass der Einsatz von Taxiunternehmen mit erheblichen Kosten verbunden ist, sodass eine dauerhafte Durchführung dieser Notlösung nicht garantiert werden kann. Wir können nicht ausschließen, dass es zu Einschränkungen bei der Versorgung kommen kann.“ Weil es vom Labo noch immer nichts Neues gibt, müssen die Fahrer laut Westerfeld auch über den 15. Juni hinaus noch im Urlaub bleiben.
    Kassenärztliche Vereinigung Berlin befürchtet Einschränkungen bei Versorgung

    Einschränkungen bei der Versorgung befürchtet auch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin. „Weshalb der Firma Stölting, die bislang den Fahrdienst zuverlässig für die KV Berlin durchgeführt hat, nunmehr seitens des Labo keine Genehmigung erteilt wird, ist für die KV Berlin nicht nachvollziehbar“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Für die KV Berlin habe es oberste Priorität, den Hausbesuchsdienst auch zukünftig sicherzustellen. „Aufgrund der nicht erteilten Genehmigung sind zukünftige Einschränkungen bei der Versorgung immobiler Patienten allerdings nicht mehr auszuschließen.“

    Das scheint jetzt schon der Fall zu sein. Von Ärzten ist zu hören, dass sie pro Schicht bis zu 20 Hausbesuche geschafft hätten, dank geschickter Routenplanung durch die Stammfahrer. Jetzt seien nur noch sechs Besuche drin, unter anderem wegen fehlender Ortskenntnis mancher Taxifahrer. Verbunden seien damit auch finanzielle Einbußen für die Ärzte. Derweil bangen die Fahrer um ihre Arbeitsplätze für den Fall, dass die Konzession ausbleibt.

    #Berlin #Taxi #Fahrdienst

  • Fahrdienst für Bundestagsabgeordnete: Chauffeure bangen um ihre Jobs - taz.de
    http://www.taz.de/!5401782

    Ralph Ungefroren hat schon fast jeden Politiker durch Berlin gefahren. Doch damit könnte bald Schluss sein. Der Bundestag hat den Vertrag mit seinem Arbeitgeber, dem Fahrdienst Rocvin, nicht verlängert. Ungefroren ist nach Ende der Legislaturperiode möglicherweise arbeitslos. Gleiches droht seinen 240 KollegInnen. Ab Herbst übernimmt der Fahrdienst der Bundeswehr, die BWFuhrparkservice GmbH.

    Alexander Ulrich (Linke), der dem Ältestenrat des Bundestags angehört, begründet dies mit den Arbeitsbedingungen bei Rocvin: „In der Vergangenheit haben sich die Fahrer immer wieder über ihre Situation dort beschwert.“ Viele von ihnen waren nur als Minijobber auf 450-Euro-Basis angestellt. Deshalb entschied der Ältestenrat schon 2016, den Fahrdienstleister zu wechseln – nach fast 20 Jahren Vertrag.

    Mike Eberschulz, Betriebsratsvorsitzender von Rocvin, ist dennoch besorgt. Denn inzwischen seien von den 240 Mitarbeitern alle fest angestellt – 60 davon in Vollzeit. Zwar können die Chauffeure darauf hoffen, vom neuen Dienstleister übernommen zu werden. Das hatte der Ältestenrat dem BWFuhrpark nahegelegt. Doch laut Eberschulz bot der neue Fahrdienstleister in ersten Bewerbungsgesprächen nur an, 18 Beschäftigte in Vollzeit und 60 in Teilzeit zu übernehmen. Der Großteil der Fahrer würde wieder als Minijobber Spitzenpolitiker durch Berlin fahren, noch dazu mit einer sechsmonatigen Probezeit.

    „Dass viele Fahrer, die bei uns fest angestellt waren, jetzt mit einem Minijob abgespeist werden und zusätzlich noch mal eine Eignungsprüfung beim BWFuhrpark durchlaufen müssen, obwohl sie seit Jahren ihren Job ausführen, ist eine Sauerei“, sagt Eberschulz. Auch Susanne Meinke von Verdi findet die Vorgehensweise „skandalös und nicht nachvollziehbar“. Die Politik habe Hilfe versprochen und bislang nichts eingehalten.

    Linken-Mann Ulrich sieht den Fahrdienstwechsel ambivalent. Er stehe nach wie vor hinter der Entscheidung, da es wiederholt Unstimmigkeiten mit Rocvin gegeben habe, darunter zwei Insolvenzverfahren. Aber mit den bisherigen Konditionen – den Befristungen und der Probezeit – sei er unzufrieden.

    Hauptsache „Limousinen der gehobenen Mittelklasse“
    Der Betriebsrat von Rocvin fühlt sich vom Ältestenrat ungerecht behandelt. Schließlich hätten sich mit dem neuen Geschäftsführer 2014 die Arbeitsbedingungen verbessert – was Susanne Meinke von Verdi bestätigt. Dennoch, klagt Eberschulz, halte der Bundestag an seiner Entscheidung fest. „Der Ältestenrat wollte einfach seinen Job zu Ende führen, den er 2014 begonnen hatte.“

    BETRIEBSRAT MIKE EBERSCHULZ
    „Dass viele Fahrer Minijobs erhalten sollen, ist eine Sauerei“

    Das macht der Betriebsrat auch an einem zweiten Punkt fest: Laut einem internen Schreiben, das der taz vorliegt, setzte sich der Bundestag 2016 auch das Ziel, die Abgeordneten mit einer klimafreundlichen Ökoflotte zu kutschieren, teilweise aus Elektrofahrzeugen. Dies war das zweite Argument des Bundestags, mit dem BWFuhrparkservice zu kooperieren. Tatsächlich entschied sich die Bundestagsverwaltung vergangene Woche wieder für „Limousinen der gehobenen Mittelklasse“ – sprich Audi, BMW und Mercedes. Die deutschen Autohersteller produzieren aber gar keine reinen Elektrofahrzeuge.

    Fraglich bleibt, ob die BWFuhrparkservice GmbH in der nächsten Verhandlungsrunde Ende April den Angestellten von Rocvin ein besseres Angebot unterbreiten wird als das derzeitige, das dem Betriebsrat vorliegt. Das Unternehmen beteuerte gegenüber der taz, dass man „auf die individuellen Wünsche der Fahrer eingehen will“.

    Susanne Meinke von Verdi hat da nur wenig Hoffnung. Sie wandte sich mit einem Schreiben direkt an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Wirtschaftsministerin Brigitte Zypris (SPD) und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und wies auf die verschlechterten Arbeitsbedingungen hin. Bis heute, sagt Meinke, habe sie nicht einmal Empfangsbestätigungen der Ministerien erhalten.

    Eberschulz und Meinke wollen Ende April nun einen Protest-Autokorso veranstalten. Denn die BWFuhrparkservice GmbH hatte dem Rocvin-Betriebsrat zugesichert, noch diesen Monat die ersten Arbeitsverträge vorzulegen. Dann wird sich zeigen, ob – und zu welchen Konditionen – Ralph Ungefroren und seine KollegInnen noch Politiker durch Berlin fahren werden.

    #Berlin #Bundestag #Fahrdienste

  • Protestkorso durchs Regierungsviertel - Bundestags-Fahrer kämpfen um ihre Jobs | rbb|24 - Nachrichten aus Berlin und Brandenburg
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2017/04/Bundestag-Fahrer-Protestkorso-Regierungsviertel.html

    Protestkorso durchs Regierungsviertel
    – Bundestags-Fahrer kämpfen um ihre Jobs
    28.04.17 | 19:16 Uhr
    Eine lange Schlange schwarzer Limousinen fährt am Freitag mit Polizeieskorte durch das Regierungsviertel. Der Anlass ist kein Staatsbesuch: Rund 60 Fahrer des Bundestags-Fahrdienstes protestieren mit diesem Autokorso für ihre Jobs. Von Robin Avram

    Als Ralph Ungefroren am Brandenburger Tor wendet, zeigt er aufgeregt auf die gegenüberliegende Fahrspur: „Schauen Sie mal, wir legen ganz Unter den Linden lahm“, ruft der RocVin-Betriebsrat und freut sich. Ein schwarzer Mercedes nach dem anderen fährt um den Bogen am Brandenburger Tor, rund sechzig Limousinen, am Schluss die Polizei, die den ungewöhnlichen Zug mit Blaulicht sichert. Die Passanten auf den Bürgersteigen schauen neugierig: Welcher Staatsgast hier wohl durch die Stadt rollt?
    Doch in den blank polierten Dienst-Limousinen sitzen an diesem Freitag keine Prominenten, keine gewählten Volkvertreter - sondern einzig und allein die Fahrer der Mächtigen. Seit teilweise fast 20 Jahren kutschieren sie die derzeit 630 Bundestagsabgeordneten zu Terminen, zum Flughafen oder nach Hause. Doch nun müssen viele von ihnen um ihre berufliche Zukunft bangen.

    240 Arbeitsplätze sind in Gefahr, warnen die RocVin-Fahrer | Bild: rbb24/Robin Avram
    Eigentlich sollten Arbeitsbedingungen der Fahrer verbessert werden
    Der Grund: Der Ältestenrat des Bundestages beschloss im Januar 2016, den Bundestags-Fahrservice zum 1. August 2017 neu zu vergeben - an den Bundeswehr-Fuhrpark Service. Verbunden war das mit der Erwartung, mehr Elektroautos einzusetzen - aber auch die Arbeitsbedingungen der Fahrer sollten sich verbessern. Denn RocVin, der bisherige Dienstleister, stand in der Kritik, weil er seine Beschäftigten lange nur knapp über Mindestlohn zahlte. Durch den Einsatz von Betriebsrat und Verdi besserte sich das, erzählen Fahrer - doch zu spät. Das Tragische dabei ist: Statt besseren Arbeitsbedingungen droht vielen Fahrern nun der Verlust ihrer Vollzeit-Jobs.

    Nach dem Protestkorso durch das Regierungsviertel haben sie ihre Limousinen neben dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus brav am Straßenrand geparkt, um die Fluchtwege frei zu halten. Die rund 60 Männer tragen ihre Dienstkleidung: schwarze Anzüge, weiße Hemden und blaue Krawatten, viele sind schon älter. Mit Verdi-Flaggen in der Hand versammeln sie sich vor dem Lüders-Haus, in dem die Abgeordneten ihre Büros haben, und entrollen ein Protest-Plakat, auf dem steht „Von der Politik allein gelassen“.

    Susanne Stumpenhusen, immerhin die Verdi-Landeschefin, ist gekommen, um den Fahrern Mut zu machen. Sie ruft: „Bundestagspräsident Lammert hat zugesagt, dass man Euch eine Perspektive bietet. Wir bleiben dran, damit das auch passiert.“

    Feiner Zwirn - unsichere Zukunft: RocVin-Fahrer bei der Protest-Kundgebung vor dem Lüders-Haus, in dem die Bundestagsabgeordneten ihre Büros haben | Bild: rbb24/Robin Avram
    Familienfreundliche Arbeitszeiten? Fehlanzeige
    Denn bislang haben laut dem RocVin-Betriebsrat Mike Eberschulz erst rund 20 Fahrer von der BwFuhrpark das Angebot erhalten, weiterhin Vollzeit zu fahren. Die anderen Fahrer haben nur Angebote für Teilzeit- und Minijobs bekommen. Bei RocVin haben immerhin rund drei mal so viele Fahrer Vollzeit-Stellen, vor allem sie fürchten nun um ihre Jobs. „Das Geld reicht nicht mehr zum Leben, wenn ich nur noch Teilzeit fahren kann“, fürchtet einer.

    „Wir fordern eine klare Zusage, hey Mitarbeiter von RocVin, wir wollen weiter mit Euch fahren, wir übernehmen Euch“, fordert deshalb Betriebsrat Eberschulz. Die BwFuhrpark teilt dazu auf rbb-Anfrage mit: „Die konkreten Beschäftigungsstrukturen werden derzeit noch ermittelt und stehen noch nicht fest.“ Dabei werden die RocVin-Fahrer schon in zwei Monaten gekündigt - und hängen immer noch in der Luft.
    Auch auf alleinerziehende Familienväter will BwFuhrpark offenbar wenig Rücksicht nehmen. Michael Krebel berichtet, dass er bei RocVin ausschließlich Frühschichten fährt, damit er sich am Nachmittag um seinen Sohn kümmern kann. Die Bundeswehr wirbt zwar inzwischen damit, ein familienfreundlicher Arbeitgeber zu sein. Beim Bewerbungsgespräch bekam Krebel aber zu hören, „dass ich - so wie jeder andere auch - Früh- Spät- und Nachtschichten arbeiten muss.“

    Die BwFuhrpark teilt dazu mit, dass persönliche Dienstplan-Wünsche „wie bei anderen Unternehmen auch“ Berücksichtigung finden. Allerdings müsse man „die vertraglich geschuldete Leistung auch zu wirtschaftlichen Bedingungen erbringen.“

    Verdi-Landeschefin Susanne Stumpenhusen erwartet, dass die Berliner Bundestagsabgeordneten sich für die Fahrer einsetzen. | Bild: rbb24/Robin Avram
    Was tun während der sitzungsfreien Zeit?
    Die Vorgaben der Politik, deutet BwFuhrpark damit offenbar an, ließen dem Unternehmen wenig Spielraum. Tatsächlich gibt es ein Grundproblem, mit dem wohl jeder Auftragnehmer zu kämpfen hätte. Die Bundestagsabgeordneten haben im Schnitt nur zwei Sitzungswochen pro Monat. „Die übrigen beiden Wochen können die Fahrer ja schlecht fürs Rumsitzen bezahlt werden“, räumt ein RocVin-Fahrer, der ungenannt bleiben will, ein. RocVin konnte hier nachbessern, indem es nach und nach andere Fahr-Aufträge bekam, vom Bundeskanzleramt etwa oder anderen Bundesministerien. Dadurch waren mehr Vollzeit-Stellen möglich. Diese Fahr-Aufträge behält RocVin jedoch, wird sie künftig unter anderem Namen ausführen.
    Die BwFuhrpark muss nun zusehen, wie sie ihre Fahrer in den sitzungsfreien Wochen beschäftigen kann. Eine vertrackte Situation - allerdings hatten die Beteiligten auch über ein Jahr Zeit, eine Lösung zu finden. Verdi-Chefin Susanne Stumpenhusen findet es „unsäglich“, dass das noch nicht passiert ist. Sie hat nun die Berliner Bundestagsabgeordneten gebeten, sich der Sache anzunehmen. „Wir erwarten natürlich, dass die uns unterstützen, dass sie sich dafür einsetzen, dass Bewegung reinkommt“, sagt Stumpenhusen. „Denn zum 30.6. sind die Fahrer alle ihren Job los, und die wollen eine Perspektive haben.“

    #Berlin #Bundestag #Fahrdienste