Uber in Berlin: Ein Drittel der Fahrer ohne Konzession – Senat greift durch
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3.6.2024 von Andreas Kopietz - Rund ein Drittel der Fahrer war ohne Konzession unterwegs. Einige Unternehmen, die Fahrten-Vermittlern ihre Dienste anboten, betreiben auch „Kokstaxis“ und gehören Clans.
„Ich ruf mir mal ein Taxi“, hieß es früher. „Ich ruf mir mal ein Uber“, heißt es heute. Doch jeder Dritte, der bis vor kurzem in so ein Auto stieg, leistete der Kriminalität Vorschub. Denn viele Fahrer hatten gar keine Erlaubnis, Fahrgäste zu transportieren.
Ein Teil der Unternehmen und Subunternehmen, die für Plattformen wie Uber, Freenow, Bolt und Co. fahren, waren bis April illegal unterwegs. Gegen sie wird wegen Betrugs, Sozialbetrugs und Schwarzarbeit ermittelt; ihnen fehlt entweder die Konzession, Personen zu befördern, oder die Lizenzen sind gefälscht. Andere Unternehmen haben andere Firmensitze als in der Konzession angeben oder gar keinen.
Die Plattformen selbst vermitteln lediglich die Fahrten mit sogenannten Mietwagenfirmen, denen die Autos gehören. Doch etwa 40 Autovermietungen in Berlin, die auf illegale Weise Fahrdienst- oder Mietwagenangebote offerieren, sind nach Auffassung der Berliner Polizei in der Hand von kriminellen Clans. Diese Firmen bieten ihre Dienste nicht nur Vermittlungsplattformen an, sondern auch zur Ausführung von Straftaten wie etwa „Kokstaxis“.
„Das ist wirklich ein Sumpf, den wir da entdeckt haben“, sagte Verkehrsstaatssekretärin Britta Behrendt (CDU) am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. „Es ist ein sehr ernstes Phänomen, wo sich unterschiedliche Kriminalitätsbereiche verbinden.“
Behrendt zufolge war rund ein Drittel der Fahrer ohne Konzession unterwegs. Das habe man festgestellt, als die Plattformen die Bestandsdaten an das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) übermittelt hätten. Bis zum 25. April habe die Verkehrsverwaltung den Plattformen eine Frist zur Sperrung der Unternehmen gesetzt, so Behrendt. Die Plattformen entfernten daraufhin knapp 1700 Mietautos aus ihrem Angebot. Dies bedeutet laut Behrendt, dass es jetzt 29,98 Prozent weniger Fahrdienst-Angebote gibt. Im vergangenen Jahr leitete das Labo 80 Ordnungswidrigkeitsverfahren ein, weitere werden folgen.
Das Labo, das die Konzessionen vergibt, hat mit den vier Vermittlungsplattformen vereinbart, dass jedes Fahrzeug, das vermittelt werden soll, von der Behörde überprüft und zugelassen werden muss. „Diese Zahlen gehen jetzt zurück, weil die Bestandsüberprüfungen Wirkung zeigen“, sagt die Labo-Direktorin Kirsten Dreher. Nach ihren Worten liegt der Bestand jetzt bei 217 Unternehmen mit insgesamt 1661 Fahrzeugen. Eine Ermittlungsgruppe überprüfe derzeit jedes Unternehmen. „Wir werden in diesem Jahr den Mietwagenverkehr komplett aufräumen“, verkündet die Direktorin.
Arbeitsgruppe „Schattenwirtschaft“ soll Abhilfe schaffen
Derzeit würden Tausende Datensätze überprüft, wofür externe Unterstützung eingekauft werde. Unter anderem soll mithilfe von KI in den Daten die Rückkehrpflicht nachgeprüft werden. Denn ein Uber-Fahrer etwa ist verpflichtet, nach jeder Fahrt an seinen Betriebssitz zurückzukehren, sofern er keinen Folgeauftrag hat. Allerdings hält sich kaum jemand an diese Regel.
„Wir haben in Berlin ein ernsthaftes Problem. Wir haben es nicht mit irgendwelchen Kleinkriminellen zu tun, sondern mit einer Organisierten Kriminalität, mit mafiösen Strukturen, die weit in das Bundesgebiet, teilweise sogar bis nach Osteuropa reichen“, meint der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf. Ein Flickenteppich an Maßnahmen werde nicht ausreichen, um den Sumpf auszutrocknen. In der Vergangenheit sei im Labo bei der Antragsbearbeitung geschlampt und systematisch weggeschaut worden.
Im April richtete der Berliner Senat eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe „Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit im Taxi- und Mietwagengewerbe“ ein, an der unter anderem der Zoll, die IHK und die Bundesagentur für Arbeit teilnehmen. Unter anderem sollen steuerlich relevante Umsätze manipulationssicher erfasst werden, dafür soll für die in Berlin zugelassenen Mietwagen ein Wegstreckenzähler und eine Aufzeichnungspflicht vorgegeben werden.
Mietwagenfirmen wandern ab nach Brandenburg
Am 14. März hatte der Senat eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, in der zum 1. April die Bestandsdaten der Unternehmen an das Labo übermittelt werden sollten. In diesem Zeitfenster schrieben die Plattformen die Unternehmen an, mit dem Hinweis, dass die Daten der konzessionierten Firmen an das Labo weitergegeben werden. Hunderte Vertragspartner der Plattformen, die ihr Einverständnis dafür nicht gaben, meldeten sich daraufhin ab. „Dieses Zeitfenster von zwei Wochen haben kriminelle Unternehmen genutzt, um durch die Hintertür zu entkommen“, kritisiert Schopf.
Die Polizei kann nichts machen. „Für die Einleitung von Ermittlungen ist ein Anfangsverdacht erforderlich“, sagt der stellvertretende Leiter des Landeskriminalamtes, Stefan Redlich. „Es müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen für eine verfolgbare Straftat. Dies schützt den Einzelnen aufgrund von Vermutungen.“ Dass jemand unter veränderten Bedingungen seine Konzession nicht fortführen will, sei kein Grund, ein Verfahren einzuleiten.
Der Berliner Senat beobachtet inzwischen, dass immer mehr Mietwagenfirmen ihren Sitz ins Berliner Umland verlegen. Den Brandenburger Behörden würden Informationen über widerrufene Konzessionen zur Verfügung gestellt, und auch über die abgelehnten Anträge, so Labo-Chefin Dreher. Der SPD-Abgeordnete Schopf dazu: „Die Kollegen in den Aufsichtsbehörden wissen noch gar nicht, was sie erwartet.“