Après les engeulades le néant - le parti pirate allemand est en route vers /dev/null
Die Piraten treiben heute niemanden mehr. Die Rebellenrolle der 8%-Protestpartei haben sie ausgerechnet an die AfD abgegeben. Während der Grad an Selbstbeschäftigung bei AfD, Linkspartei, Grünen und Piraten in etwa gleich hoch liegen dürfte, haben inzwischen alle Parteien eine professionelle Außendarstellung - nicht aber die hemdsärmeligen Piraten, die sich sogar ausgerechnet bei Social Media deklassieren ließen. Selbst nach dem vergeigten Bundestagswahlkampf wurde Personen, die etwa Plakate „mit Kleingedrucktem“ zu verantworten hatten, nicht ausgetauscht - mit dem Ergebnis, dass selbst die Familienpartei einen deutlich brauchbareren TV-Spot realisierte.
So gelang es, die Zustimmung der verprellten Wähler nochmals von 2,2% (Bundestagswahl mit 5%-Hürde) auf 1,4% (Europawahl ohne Hürde) runterzufahren. Obwohl inzwischen viele gestandene Piraten die Partei verlassen haben oder schlichtweg rausgeekelt wurden, teilte der vor einem Dreivierteljahr gewählte Piraten-Babo unverblümt mit, er würde heute alles ganz genauso machen. Vor der Wahl des Frankfurters waren dessen enge Kontakte zu den Berliner Peinlichpiraten allgemein unbekannt.
Berliner Heißluft
Während sich die meisten Landesverbände der Piratenpartei tendenziell als sozialliberal verstehen, fassten vor allem in den Landesverbänden Berlin und Sachsen Bewegungen Fuß, die sich je nach Anlass als #Autonome, #Anarchisten, #Antideutsche, #Antifa, Linksradikale, „datenschutzkritische Spackeria“ und #Feministen bezeichnen. Entgegen der satzungsmäßigen Beschlusslage postuliert die Berliner Clique ideologische Symbolpolitik wie „gendergerechte Sprache“ und Machtverteilung nach Geschlechtszugehörigkeit. Die gleichfalls nach Linksaußen gedrifteten „Jungen Piraten“ fielen vor allem durch entsprechend ideologischen Shitstorm auf. Wer abweichende Meinungen vertritt, darf sich auf Nazi-Etiketten gefasst machen. Auch Identitätsdiebstahl und Anschwärzungen gehören zum Berliner Politikstil.
Ausgerechnet das ursprüngliche Kernthema „Meinungsfreiheit“ wurde bei Berliner Lautsprechern zum Schimpfwort für „Spinner“ und Kritiker verbrämt, die von der vorgegebenen Linie abweichen. Während fragwürdige Berliner Piraten wie „Klick-mich!“-Buchautorinnen, Brandfackel-auf-Botschaft-Werferinnen, Busen-Herzeigerinnen und „prozessfreudige Anarchisten“ sakrosankt scheinen, reicht inzwischen in Berlin „Majestätsbeleidigung“ als Grund zum Parteiausschluss. So stören sich Berliner Piraten etwa an der Bezeichnung „strunzdummer LaVo-Hipster“ für einen stets Zylinder tragenden Landesvorstand, der 2012 mit seinem berühmten Zeitreise-Antrag die peinlich gewordene Partei endgültig lächerlich machte und die Forderung nach einer friedlichen Besiedelung des Mars für gute Öffentlichkeitsarbeit hält.
Das Rückgrat der Piratenpartei stellen hingegen die großen Landesverbände NRW, Hessen, Bayern und Niedersachsen, wo die meisten Mitglieder wohnen. Dort und auch in vielen anderen Landesverbänden ist man vom schrillen Auftreten von Berliner Piraten entsetzt und fordert dieses Wochenende die Piratenpartei von einer dubiosen Funktionselite wieder zurück, welche sich an Schlüsselpositionen rangewanzt hat. Bekannte Piraten, welche die Partei geprägt hatten, verließen inzwischen das ideologisch aufgeladene Narrenschiff, so der vormalige Bundesvorsitzende Sebastian Nerz, Wahlkampfmaschine Mathias Schrade oder Lawblogger Udo Vetter.