Cet srticle essaye de nous expliquer le conflit pilitique entre l’Ukraine et la Pologne. On y apprend que le gouvernement du pays suit une ligne instable qui vire vers fanatisme à des moments imprévisibles. L’analyse me fait craimdre pour notre voisin un coup légal comme celui du janvier 1933 Allemagne.
12.10.2023 von Wolfgang Müller - Seit 2022 gelten Polen und Ukraine als enge Partner. Doch diese Zeiten sind vorbei. Warum? Unser Autor hat ein paar Antworten.
Noch vor wenigen Monaten war vielerorts von einem „polnisch-ukrainischen Wunder“ die Rede, das sehr bald schon seinen Höhepunkt erleben sollte: Letztes Jahr verkündete der polnische Präsident Andrzej Duda stolz, dass man ein Zeichen der Freundschaft setzen wolle und – in Anlehnung an den Élysée-Vertrag – beide Länder bald ein ähnliches Dokument unterschreiben würden.
Monatelang ergaben Umfragen in der Ukraine, dass trotz der bisweilen schwierigen polnisch-ukrainischen Geschichte ein Großteil der Ukrainer sich eine Konföderation mit seinen polnischen Nachbarn vorstellen könnte.
Wer sich an diesen polnisch-ukrainischen Groove gewöhnt hat, dürfte sich dieser Tage häufig die Augen reiben vor Verwunderung. Bei seiner Rede vor einer Uno-Generalversammlung behauptete Selenskyj, dass einige Länder „einen Thriller aus dem Getreidestreit machen“ und im Grunde genommen die Bühne für den Schauspieler aus Moskau vorbereiten. Damit war sicherlich Polen gemeint.
Streit zwischen Freunden
Vielen Polen, selbst solchen, die mit der rechtsnationalen regierenden PiS-Partei wenig bis nichts anfangen können, standen die Nackenhaare zu Berge. Die bittersaure Antwort des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki ließ dementsprechend nicht lange auf sich warten: „Herr Selenskyj, hören Sie auf, uns Polen zu beleidigen!“
Zusammen mit anderen Aussagen polnischer Regierungsvertreter sorgen solche Aussagen international für Unmut und Unverständnis. Schließlich dürften wenige Länder an einem raschen Sieg der Ukraine so sehr interessiert sein wie Polen. Und es war Polen, das sich bis vor kurzem noch als bester Freund der Ukraine gerierte. War das alles etwa nur gespielt?
Fernsehdebatte in Polen: Donald Tusk traf im Staatsfernsehen TVP auf Mateusz Morawiecki
Warum haben sich die Beziehungen zwischen Polen und Ukraine so verschlechtert?
In den internationalen Schlagzeilen dominieren seit einigen Wochen vor allem zwei Themen: der Getreidestreit, d.h. die von Polen zusammen mit einigen anderen Ländern eingeführte Importblockade von ukrainischem Getreide, um die heimischen Landwirte zu schützen. Und eine international zitierte Aussage Morawieckis, die als Ankündigung des polnischen Waffenstopps interpretiert wird. Der Getreidestreit ging zwischenzeitlich über reine Rhetorik hinaus – die Ukraine reichte bei der WTO eine Klage gegen Polen, Ungarn und die Slowakei ein, die nun allerdings auf Eis gelegt wurde. So viel sei an dieser Stelle schon mal verraten: Wer Form von Inhalt, Rhetorik von realen Taten sowie Ursache und Wirkung voneinander trennen will, den erwartet ein wahres Labyrinth an Vermutungen und potenziell undurchsichtigen Interessenskonflikten, die erklären, wie es zu diesem Streit kommen konnte.
Die Abkühlung zwischen Ukraine und Polen nach 2015
Dass die aktuelle Situation für so viel Stirnrunzeln sorgt, kommt nicht von irgendwoher. Zusammen mit Kanada war Polen das erste Land, das die ukrainische Unabhängigkeit 1991 anerkannte. Egal ob rechte oder linke Parteien an der Macht waren, Polen unterstützte die Orange Revolution 2004, die Maidan-Revolution 2014 und einen raschen EU- und Nato-Beitritt der Ukraine stets souverän.
Polen war zudem ein Initiator der östlichen Partnerschaft, im Zuge welcher die Ukraine ein Abkommen mit der EU abschloss. Die pro-ukrainische Ausrichtung der polnischen Außenpolitik galt lange Zeit als in Stein gemeißelter, parteiübergreifender Konsensus. Dem 2010 tragisch bei der Flugkatastrophe von Smoleńsk verunglückten ehemaligen polnischen Präsidenten Lech Kaczyński war sie gar ein Herzensanliegen: „Heute Georgien, morgen die Ukraine, übermorgen die baltischen Staaten und dann ist vielleicht mein Land, Polen, an der Reihe“ lauteten seine aus heutiger Zeit geradezu prophetischen Worte aus dem Jahre 2008, als er sich zusammen mit den Präsidenten der Ukraine und der baltischen Staaten nach Tbilisi begab, um dort seine Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Georgien zu bekunden.
Natürlich gab es auch vorher schon ups and downs in den polnisch-ukrainischen Beziehungen. Obwohl im Wahlkampf 2015 die PiS die aus ihrer Sicht nicht ausreichend pro-ukrainische Außenpolitik der oppositionellen Bürgerplattform anprangerte, kühlten gerade nach dem Wahltriumph der PiS etwas überraschend die polnisch-ukrainischen Beziehungen deutlich ab. Für die PiS spielten plötzlich geschichtliche Kontroversen eine übergeordnete Rolle, allen voran im Kontext des Massakers in Wolhynien (mehr Erläuterungen unten), während die Ukraine sich in der Außenpolitik zunehmend an Deutschland orientierte.
Doch als sich der schicksalhafte 24. Februar 2022 anbahnte, war von dieser Distanz nichts mehr zu spüren. Und das auf allen Ebenen: Auf die vor dem Krieg flüchtenden Ukrainer warteten hinter der Grenze Tausende polnische Volontäre, Hilfsorganisationen und NGOs, welche wochenlang Tag und Nacht den Ukrainern einen herzlichen Empfang bereiteten, Willkommenspakete für sie vorbereiteten und Orientierungshilfe boten.
Flüchtlingslager waren in Polen überflüssig, da Millionen von Polen die Ukrainer bei sich zu Hause aufgenommen hatten. Trotz der aktuellen diplomatisch-politischen Krise der polnisch-ukrainischen Beziehungen bleibt Polen, wenn man militärische sowie humanitäre Hilfe, Entwicklungsmittel und Sozialausgaben für Flüchtlinge (in Polen verweilen aktuell etwa eine Million ukrainische Flüchtlinge) zusammenrechnet, immer noch der wichtigste und engste Verbündete der Ukraine.
Die Waffenlieferungen Polens an die Ukraine
Bereits kurz vor dem 24. Februar 2022 lieferte Polen Konvois mit Munition an die Ukraine, als die unrühmliche Diskussion über 5000 Schutzhelme in Deutschland erst langsam Fahrt aufnahm. Laut Wojciech Konończuk, einem Experten der polnischen Denkfabrik OSW, lieferte Polen seitdem u.a. „340 Panzer (T72, PT-91, Leopard 2A4), 70 moderne Panzerhaubitzen des Typs Krab, 100 moderne gepanzerte Mannschaftstransporter des Typs Rosomak, 14 Flugzeuge des Typs MiG29 und 12 Hubschrauber des Typs Mi-24 sowie große Mengen an Munition, Treibstoff und 20.000 der über 40.000 Starlink-Systeme, die derzeit in der Ukraine im Einsatz sind“.
Ohne zeitraubendes bürokratisches Larifari wurde eine große Anzahl schwerer (also von den Ukrainern am meisten benötigter) Waffen in kürzestes Zeit bereitgestellt. Bereits im April 2022 lieferte Polen zusammen mit Tschechien Panzer, die aus dem aktiven Bestand der polnischen Armee stammten und die für die Ukraine gerade in den ersten Wochen und Monaten von geradezu existenzieller Bedeutung waren. Im späteren Verlauf waren u.a. die AHS-Krab-Artilleriegeschütze der ukrainischen Armee eine maßgebliche Stütze bei der erfolgreichen Wiedereroberung weiter Teile der ukrainischen Region Charkiw.
Insgesamt 40 Prozent seiner Panzer hat Polen der Ukraine übergeben, prozentual gesehen doppelt so viel wie Deutschland, im internationalen Vergleich die viertgrößte Lieferung – und das als Nato-Frontstaat, der nun selber militärisch stark aufrüsten muss. Ein offenes Geheimnis ist, dass die polnische Seite nicht alle Daten und Fakten zu seinen militärischen Unterstützungsleistungen darlegt und die Angaben des bekannten, weltweit zitierten Ukraine Support Tracks des Kieler IfW zudem keine Unterscheidung treffen zwischen gelieferten und angekündigten Militärlieferungen – der Gesamtumfang der von Warschau geleisteten Waffenlieferungen dürfte also noch deutlich imposanter ausfallen als offiziell angegeben.
Plötzlich ist Andrzej Duda nicht mehr pro-ukrainisch
Wer diese Fakten kennt und sich noch an all die Bilder erinnert, in denen sich der polnische Präsident Andrej Duda und Wolodymyr Selenskyj herzlich umarmten, als wollten sie eine Szene aus „DU und ICH sind WIR“, einem Bilderbuch für Kinder, nachstellen, der dürfte umso stärker einer, wie es seit jeher die Sozialpsychologie nennt, kognitiven Dissonanz unterliegen.
Nicht nur der raue Ton ist bemerkenswert: In den letzten Wochen hat z.B. der polnischen Außenminister Zbigniew Rau demonstrativ an einem wichtigen Treffen der europäischen Verteidigungsminister nicht teilgenommen, der Minister für Staatsvermögen Jacek Sasin musste sich in Kiew entschuldigen, nachdem er fälschlicherweise behauptet hatte, dass ein wichtiger polnischer Waffenhersteller, PGZ, keine Einladung zu einem internationalen Forum erhalten hatte.
Ein polnischer Minister hatte gar angedeutet, dass aus dem EU-Beitritt der Ukraine möglicherweise nichts wird, wenn man nicht die aktuellen Differenzen beilegt. Schließlich ließ sich auch Präsident Andrzej Duda auf diese neue anti-ukrainische Poetik ein: „Die Ukraine ist wie ein Ertrinkender, der sich an alles klammert.“ Für viele ein herber Schock, gerade im Kontext von Polens internationalem Engagement zugunsten eines schnellen EU- und Nato-Beitritts der Ukraine.
Die Gründe für die polnisch-ukrainische Eiszeit
Die internationale diplomatische Unterstützung ging dabei noch viel weiter: Polen war einer der Initiatoren des Aufbaus der EUMAM-UA-Unterstützungsmission für die Ukraine, dank welcher die EU regelmäßig militärische Übungen für ukrainische Soldaten organisiert. Und dann ist da noch Rzeszów – die ehemals relativ unspektakuläre, eher verschlafene polnische Kleinstadt, welche dazu auserkoren wurde, die Rolle eines militärischen Logistik-Hub anzunehmen, wo Waffen repariert, restauriert und in die Ukraine geschickt werden und von wo aus verwundete Soldaten aus der Ukraine in Krankenhäuser in ganz Europa gelangen. Oleksij Arestowitsch, der bisweilen aufsehenerregende ehemalige Berater von Selenskyj, beteuerte zuletzt, dass es die Ukraine ohne Polen heute nicht mehr geben würde.
Vor Selenskyis Rede bei der UN sorgte wiederum der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal für einen Skandal, als er bei Twitter auf Englisch der polnischen Seite vorwarf, nicht nur den Import, sondern auch den Transit von ukrainischem Getreide zu blockieren. „Wir haben der Ukraine so viel geholfen und jetzt verbreitet ihr Ministerpräsident Fake News über uns“, dachten sich viele Polen.
Eine klare Ursache, welcher dieser Eiszeit der polnisch-ukrainischen Beziehungen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt zugrunde liegt, ist indes nicht einfach auszumachen. Es gibt fast genauso viele Theorien wie potenzielle Gesprächspartner zu dem Thema. Auf der polnischen Seite wird immer wieder die Enttäuschung über den ukrainischen Umgang mit dem Massaker in Wolhynien geäußert, gerade heute, 80 Jahre nach dem Massaker.
Ein Gedenken, das schiefging
Im Zweiten Weltkrieg wurden bis zu 100.000 polnische Bewohner der ehemals in Ostpolen liegenden Region „Wolhynien“ von Vertretern der UPA, dem militärischen Arm der nationalistischen Organisation OUN, auf unvorstellbar brutale Art und Weise ermordet. Allein die Art der Waffen sprach Bände: Viele Leichen wurden mit Äxten und Messern zerhackt, Massenvergewaltigungen waren gang und gäbe.
Das Ziel war, eine Schock- und Fluchtwelle in der lokalen polnischen Bevölkerung auszulösen. Für den polnischen Historiker Grzegorz Motyka ein klarer Fall von ethnischer Säuberung, ja gar des Völkermords, an dem allerdings, wie er nicht müde wird zu betonen, nur ein verschwindend geringer Anteil gewöhnlicher Ukrainer beteiligt war. Die polnische Heimatarmee übte mehrere Racheakte aus, die aber zahlenmäßig in keinerlei Relation zu den ukrainischen Übergriffen stehen. Auch in den Jahrzehnten bzw. gar Jahrhunderten davor waren die Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine häufig nicht gerade gut, z.B. durch die repressive Minderheitenpolitik der polnischen Zweiten Republik in der Zwischenkriegszeit verursacht.
Für Polen geht es nicht nur um ein diplomatisches Schuldbekenntnis, sondern auch um die Zulassung einer Exhumierung der Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg. Dass dies weiterhin nicht der Fall ist, sorgt für Kopfschütteln. Und dann war da noch der diesjährige 80. Jahrestag des Massakers: Beide Präsidenten einigten sich darauf, dass sie gemeinsam an einer Gedenkmesse teilnehmen werden und eine gemeinsame Nachricht auf ihren Social-Media-Profilen kommunizieren: „Gemeinsam gedenken wir all der unschuldigen Opfer Wolhyniens! Das Gedenken vereint uns! Gemeinsam sind wir stärker.“
Der Getreidestreit zwischen Polen und Ukraine
Schnell ging dies jedoch noch hinten los – in den Ohren der polnischen Seite schwang hier eine Art erzwungene, enigmatische Neutralität mit, als sei nicht wirklich klar, wer hier Opfer und Täter war. Eine eigenartige Situation – kam es hier im Vorfeld zu einem Missverständnis und einer daraus resultierenden Diskrepanz der Erwartungshaltungen? Oder hat Warschau vielleicht, wie es zuletzt die Journalistin Dominika Wielowiejska in der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborocza andeutete, diese Situation gar als Vorwand genommen, um einen bereits vorher beschlossenen Kurswechsel in der Ukraine-Politik vorzunehmen?
Der nächste Zankapfel speist sich aus Unterschieden in der Einschätzung des Getreidestreits. Die bereits zitierten Ausführungen von Schmyhal und Selenskyj sorgten für Unverständnis in Polen. Natürlich sei es nachvollziehbar, dass gerade in der aktuellen Kriegslage die Ukraine, die zudem noch gegen die russische Getreideblockade ankämpft, jeden möglichen landwirtschaftlichen Absatzmarkt gebrauchen kann, darunter auch den polnischen, der vor dem Krieg praktisch keine größere Rolle spielte für die ukrainischen Landwirte.
Dies könne aber nicht auf Kosten der polnischen Landwirte geschehen, zumal der Getreidemarkt eine wichtige Rolle spiele in Polen. Außerdem sei der ukrainische Markt anders strukturiert, d.h. er ist dominiert durch große (manche sagen: oligarchische) Unternehmen, während in Polen vor allem kleine und mittelgroße landwirtschaftliche Betrieben operieren. Vereinzelt gibt es auch in der Ukraine ähnliche Stimmen und Kritik an Selenskyj, z.B. vonseiten seines bereits zitierten ehemaligen Beraters Arestowitsch oder dem Chef der ukrainischen Agrarunion Leonid Koczanow. Und dann bleibt da noch die Transitfrage, die in gewisser Hinsicht gerade für die PiS besonders brisant ist und deren Hintergründe die bereits erwähnte Wielowiejska zuletzt detailliert nachgezeichnet hat.
Eine Importblockade
Noch 2022 waren die Rollen ganz anders verteilt: Den Versicherungen des polnischen Landwirtschaftsministers Henryk Kowalczyk Glauben schenkend, öffnete die PiS den polnischen Markt für ukrainisches Getreide. Dieser Entscheidung lag die Annahme zugrunde, dass das ukrainische Getreide ohne größere Probleme seinen Weg zu anderen Ländern findet, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU. Besonders heikel: Damals war es der Oppositionsführer Donald Tusk, der die PiS vor unkontrollierten Getreideimporten auf dem polnischen Markt und den damit einhergehenden Preisverfall warnte. Damals galt dies in der PiS noch als „Moskau-Sprech“.
Die Protestwelle Anfang 2023 überraschte die Entscheidungsträger der PiS mit voller Wucht und sorgte für die Entlassung des damaligen Ministers für Landwirtschaft. Im April kommt Selenskyj nach Warschau zu einem Treffen mit Morawiecki und Duda. Noch vor dem EU-Embargo wird kurz darauf eine Importblockade für ukrainisches Getreide in Polen eingeführt, die allerdings den Getreidetransit außerhalb des polnischen Territoriums zulässt.
Selenskyjs Leute echauffieren sich: Das sei anders abgesprochen worden, so gehen gute Freunde nicht miteinander um! Daheim war dies durchaus ein herber Schlag für den ukrainischen Präsidenten, der so viel in die politische Freundschaft mit der PiS investiert hatte. Dominika Wielowiejska behauptet gar, Selenskyj hätte vorher seinen Ministern verboten, sich öffentlich mit Politikern der oppositionellen Bürgerplattform zu zeigen.
Der polnische Präsident Andrzej Duda zeigte sich in den nächsten Wochen weiterhin optimistisch: Eine gemeinsame Lösung sei in Sicht, er hoffe gar, das mittlerweile auch von der Europäischen Kommission eingeführte Embargo könnte gelockert und der freie Handel gefördert werden. Nach dem 80. Jahrestag des Massakers in Wolhynien ändert sich jedoch auch der Ton des polnischen Präsidenten. Bis heute geht der Transit durch polnisches Territorium mit jedem Monat immer schneller voran, aber das Importverbot bleibt bestehen.
Zu 100 Prozent weiß keiner, was hier eigentlich vorgefallen ist. Hat die PiS plötzlich erkannt, dass sich der EU-Beitritt der Ukraine unter polnischen Landwirten nicht besonders hoher Beliebtheit erfreut? Waren es die zwischenzeitlich guten Umfragewerte der ukraineskeptischen Konfederacja, einem nationalistisch-libertären Potpourri, dessen Vertreter eine unterschwellige Affinität zu Verschwörungstheorien mit der AfD zu teilen scheinen, die die PiS zum plötzlichen Kurswechsel bewegten?
Oder war es umgekehrt: Die Ukraine bekam sozusagen den Finger (Getreidetransit), griff dann nach der ganzen Hand (Getreideimport) und erst dies beflügelte die Konfederacja und die Landwirte, die dann wiederum Druck auf die PiS ausübten? Hat die Ukraine erkannt, dass Polen bereits alles geliefert hat, was es an Waffen liefern konnte und sich ein Bündnis mit Deutschland, das seit Jahren keine guten Beziehungen zu Polen mehr hat, für die Ukraine viel mehr lohnt, auch um sich den Zugang zum polnischen Getreidemarkt diplomatisch zu erkämpfen?
Die Ukraine und Polen müssen zusammenarbeiten
Selbst diejenigen, die wie der ehemalige Mitarbeiter des polnischen Auswärtigen Amts und heutige Podcaster Witold Jurasz letztere Perspektive vertreten, sehen die Fehler bei der PiS. Seit Jahren gibt es kaum ein wichtiges Land, kaum eine wichtige Institution, zu der die PiS weiterhin gute Beziehungen pflegt. Ob nun der Streit um Rechtsstaatlichkeit mit der Europäischen Kommission, die Beziehungen zu Deutschland oder gar der USA.
Anfang 2021 gratulierte Polens Präsident Duda dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden zwar zu einem „erfolgreichen Wahlkampf“, nicht jedoch zu einer erfolgreichen Wahl – dies wurde definitiv auf der anderen Seite des Atlantiks verwundert zur Kenntnis genommen. Objektive Interessensunterschiede mit Deutschland sind bisweilen nicht von der Hand zu weisen und ein Eintreten für die eigenen Interessen ist mehr als legitim – ein Land, das als seriöser Akteur in der internationalen Politik wahrgenommen werden möchte, organisiert bei sich zu Hause jedoch keine Mugabe-mäßigen antideutschen Kampagnen, wie sie beispielsweise im polnischen öffentlichen Rundfunk praktiziert werden.
Vielleicht liegt hier der Hund begraben: Was taugt der Ukraine ein Interessensvertreter, der international manchmal wie der peinliche Onkel auf der Party wirkt? Jedenfalls klingt im jetzigen Wahlkampf Kritik an der PiS-Außenpolitik fast schon wie ein Lob. Wirklich böse Zungen gehen noch deutlich weiter: Nicht eine schlechte, sondern eine gänzlich fehlende polnische Außenpolitik sei das Problem. Das Parteioberhaupt der PiS, Jarosław Kaczyński, sei nur dann an außenpolitischen Angelegenheiten interessiert, wenn man diese innen- und parteipolitisch ausschlachten kann.
Eins dürfte klar sein: Beide Länder können sich diesen Konflikt nicht leisten. Und die Weltöffentlichkeit auch nicht. Umso überraschender wirkten die Reaktionen vieler deutschen Experten, die viel für die Sache der Ukraine getan haben, als ein Fragment des eingangs erwähnten Interviews mit Morawiecki veröffentlicht wurde. Sie verfielen kollektiv einem Empörungsrausch: „Polen will der Ukraine keine Waffen mehr liefern: Das ist ein Geschenk für Putin!“ Das wusste etwa Paul Ronzheimer in der Bild zu berichten.
„The PiS Regime has lost its last grain of sanity“, fügte Gustav Gressel bei Twitter hinzu. Auch wenn Morawiecki seine Aussage aus dem Interview, was er dem Polsat-Sender gab, absichtlich auf seinem Twitterprofil akzentuierte, um der Konfederacja in der Wahlkampagne zu schaden, müssten es Experten eigentlich besser wissen. Aus dem kompletten Interview geht jedenfalls klar hervor, dass Polen keinesfalls keine Waffen mehr liefern werde.
Alle bisherigen Verträge werden eingehalten, Rzeszów bleibt ein militärischer Hub und die Sicherheit der Ukraine bleibt weiterhin ein unantastbares Gut. Man wolle lediglich die eigenen Bestände auffrischen, denn als Nato-Frontstaat kann sich Polen nun mal keine rein rhetorische „Zeitenwende“ leisten, gerade nach den sehr zahlreichen Waffenlieferungen an die Ukraine.
Hinter vorgehaltener Hand zeigen sich Vertreter des polnischen Außenministeriums zum Teil sehr enttäuscht vom Verhalten einiger ukrainischer Politiker, manche sehen das Verhältnis dauerhaft zerrüttet. Bei anderen lässt sich hier und dort ein osteuropäischer Zweckoptimismus nach dem Motto „jakoś to będzie“ („das wird schon irgendwie“) heraushören.
Bald sei die Wahlkampagne vorbei, der Höhenflug der Konfederacja scheint endgültig Geschichte zu sein, was neue Spielräume eröffne – so viel Sensibilität und Verständnis für innenpolitische Eigendynamiken müsse die ukrainische Seite aufbringen und in Zukunft hoffentlich auch mehr Besonnenheit. Sobald man die eigenen Waffenbestände auffüllt, werde man mit Sicherheit auch wieder neue Verträge schließen. Der eine oder andere Zankapfel sei zwar unvermeidbar, aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass man auch sehr gut miteinander auskommen kann. Was heißt kann: Man muss!