Tristan Leoni – Anarchisten in Uniform in der #Ukraine?
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Man sieht es, diese zentralen Texte, welche die „autoritären Tendenzen unserer Gesellschaft“ anprangern und die Verteidigung der Tiere und den Kampf gegen den Klimawandel betonen, scheren sich nicht um irgendwelche Mantras einer klassischen anarchistischen Prosa gegen den Kapitalismus, die Armee oder den Staat (noch weniger gegen die Demokratie); es herrscht darin eine sehr pragmatische Sichtweise des gesellschaftlichen Wandels vor, die man als sozialdemokratisch bezeichnen könnte, geschmückt mit politischen Themen, die gerade in Mode sind. Das Heraufbeschwören „antiautoritärer Werte“ ist vage genug, um heutzutage etlichen Aktivisten und Sympathisanten der äusseren Linken, der Bewegung gegen die Globalisierung oder für den Umweltschutz zu gefallen. In Wirklichkeit zeigen die Positionierungen der Gruppe, die Texte und die Zeugenberichte oder auch das Profil der Kämpfer, jenseits der anscheinenden ideologischen Verschwommenheit, dass, wenn es darin eine politische Kohärenz gibt, es nicht jene des Anarchismus ist, sondern eher, banaler, jene des Antifaschismus, dieses Willens, sich an einer klassen- und parteiübergreifenden Front zur Verteidigung der ukrainischen Demokratie gegen die autoritäre russische Gefahr zu beteiligen – ein Burgfrieden, der jeglichen anderen Kampf auf eine unbestimmte Zeit (den Frieden) verschiebt – während die Regierung ihrerseits vom Konflikt profitiert, um die Gewerkschaften anzugreifen und den Sozialabbau zu beschleunigen. Der Krieg wird nur als ideologische und moralische Konfrontation wahrgenommen, die Tatsache, dass die Ukraine ein Kampffeld um wichtige wirtschaftliche Streitgegenstände zwischen Russland, der Europäischen Union und den USA ist, oder auch, dass die russischen und ukrainischen Proletarier nicht die gleichen Interessen haben wie ihre jeweiligen Bourgeoisien, scheint für die Autoren schlichtweg undenkbar; es ist wahr, dass es sich manchmal als störend erweisen kann, etwas Abstand zu gewinnen.